Fremder Planet, fremdes Alphabet
Prospector ist ein narratives Adventure-Spiel für den PC. In der Rolle einer Weltraum-Abenteurerin bereist die Spielerin fremde Planeten und erkundet eine futuristische Metropole am Rande eines gigantischen, in ewigen Nebel gehüllten Kraters.
Das Gefühl des Fremdseins ist eines der Designfundamente von Prospector; dies sollte auch dadurch erzeugt werden, dass in besagter Metropole ein unbekanntes, fiktives Schriftsystem genutzt wird.
Designziele
Die Hauptkriterien für die Entwicklung des Alphabets waren einerseits seine Plausibilität als Schriftsystem einer Zivilisation im Weltraumzeitalter, andererseits eine — für ein westliches, das lateinische Alphabet gewohntes Publikum — ungewohnte und fremdartige, aber doch zugängliche ästhetische Anmutung.
Im Gegensatz zu anderen Spielen/Universen (z.B. Heaven’s Vault) spielt die fremde Sprache keine Hauptrolle: Sie soll vor allem Stimmung und Atmosphäre unterstützen. Aus diesem Grund wurde gar nicht erst versucht, einen sprachlichen Unterbau zum Schriftsystem zu schaffen — die Zeichen werden nach rein ästhetischen Gesichtspunkten kombiniert. Es finden weder Sprachkonstruktion noch Übersetzung statt.
Prozess
Am Anfang standen Experimente mit verschiedenen Schreibwerkzeugen, um ein Gefühl für die angestrebte Ästhetik zu erlangen. Im Anschluss wechselten sich Recherche und weitere praktische Schreibübungen mit dem Pinselstift ab.
Als Referenz dienten unter anderem Devanagari und Hangul sowie das tibetische und das hebräische Alphabet. Wichtig war mir eine Kombination aus kulturellen Vorbildern, um nicht eine spezifische Kultur als außerirdisch-fremd zu verklären.
Aus diesem organischen Prozess ergab sich eine Handvoll gelungener Zeichen. Im nächsten Schritt analysierte und extrapolierte ich die Merkmale dieser Zeichen und nutzte meine Erkenntnisse als Grundlage für weitere Glyphen. Eine Kombination aus bewusster systematischer Variation und intuitiver Formfindung führte schließlich zu einem Satz von einzigartigen, aber harmonisch zusammenwirkenden Schriftzeichen.
Merkmale
Kräftiger Schnurzug
Die »regular«-Version der Schrift weist einen gleichmäßigen Schnurzug mit relativ großer, konstanter Strichstärke auf. Diese Charakteristik, gemeinsam mit der überschaubaren Komplexität der einzelnen Zeichen, sorgt für eine grundsätzliche Zugänglichkeit, gar Freundlichkeit des Alphabets; die Schrift ist fremd, aber nicht gänzlich unvertraut und keineswegs unnahbar.
Negativer Querstrich
Einige im indischen Raum vorkommende Schriften (wie Devanagari) haben einen verbindenden Kopfstrich, der die Zeichen im Wort verbindet. In meinem Alphabet existiert ein negativer Mittelstrich, der die Zeichen in obere und untere Segmente teilt (dabei aber teils von Stegen überschritten wird). Dieser negative horizontale Strich ist auch ein Stilmittel, das sich oft in Science-Fiction-Logotypes findet und entsprechende Assoziationen weckt.
Geometrische und organische Formen
Eine Kombination aus geometrischen Formen und organischen, handgeschriebenen Details betont die Dualität von Technik, Präzision, Science Fiction einerseits und langjähriger, lebendiger Schrifttradition andererseits. Dieses Gefühl von Geschichte — das Mitdenken der Vergangenheit — war ein Designprinzip, das auch im Worldbuilding Anwendung fand.
Anwendung
Die Metropole, in der Prospector spielt, ist zweisprachig; das fiktive Alphabet wird gemeinsam mit lateinischen Buchstaben verwendet. Sichtbar wird dies vor allem in Neon-Werbeanzeigen, die in der abgebildeten Straßenszene eine prominente Rolle einnehmen.
Das Themengebiet Maske und Gesicht — die Grundlage für unsere Story — findet sich wieder in Logos und Werbegrafiken. Zusätzlich findet das Alphabet Anwendung in Warnschildern, Graffiti sowie diversen anderen Beschriftungen.
Prospector ist ein narratives Adventure-Spiel für PC und entstand im Rahmen des Masterstudiengangs »Zeitabhängige Medien — Games« an der HAW Hamburg. Das Spiel kann hier (umsonst oder gegen eine freiwillige Spende) heruntergeladen und gespielt werden: Prospector auf itch.io